Die Uni Potsdam und das NPD-„Dilemma“

Von einem interessanten Fall berichtet „Spiegel Online“ unter der Überschrift „Uni Potsdam verliert gegen NPD-Praktikanten“. Das VG Potsdam hat entschieden, dass die Uni ein Praktikum eines Studenten der Politikwissenschaft bei der NPD anerkennen muss. Der „Spiegel“ wittert ein Dilemma – verkennt jedoch, dass es sich um ebenso weit verbreitetes wie hausgemachtes Problem handelt.

Das Problem hat seinen Ursprung in der sogenannten „Totalitarismus-Theorie“. Diese Lehre hat seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts viele Anhängerinnen und Anhänger gefunden und vor allem über den Begriff des „Extremismus“ auch erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung und die Behördenpraxis gewonnen.

Über diese Begriffe und die berechtigte Kritik an ihnen ist schon viel geschrieben worden, so dass ich dieses Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen muss. Ein Aspekt soll jedoch hervorgehoben werden, weil er in Konstellationen wie der hier vorliegenden entscheidend ist: Der Extremismusbegriff führt zu einer recht formellen Auseinandersetzung mit den unter ihm zusammengefassten Erscheinungen.  Sie alle eint letztlich nicht viel mehr, als dass sie sich gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ richten sollen.

Das Problem daran ist, dass die eigentlich notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit spezifischen Gefahren einzelner Ideologien schnell unter die Räder gerät. Es mag durchaus sein, dass die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ durch die NPD in Frage gestellt wird, entscheidend ist jedoch, dass die NPD eine menschenverachtende, rassistische und antisemitische Ideologie vertritt.

Indem die Uni jedoch im Einklang mit dem Gesetz, jedenfalls soweit aus dem Artikel des „Spiegel“ ersichtlich, einzig auf die Feindschaft zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ abstellt, verliert dieser Aspekt jede Bedeutung für diesen Fall, und das VG Potsdam hat letztlich kaum eine andere Möglichkeit, als so zu entscheiden, wie es das dann auch tatsächlich getan hat. Denn natürlich hat „Ronny Z.“ Recht, wenn er meint, dass er nicht verpflichtet sei, „Hohelieder auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzustimmen“. Ich jedenfalls vermag mir kaum vorzustellen, dass die Uni auch etwa von einer Praktikatin der CDU verlangt, sich mit dem bisweilen zweifelhaften Verhältnis von Politikerinnen und Politikern dieser Partei zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auseinanderzusetzen. Und auch die NPD ist nun einmal nach wie vor eine nicht verbotene Partei, woran ja anscheinend bestimmte für die Abwehr „extremistischer“ Bestrebungen zuständige Behörden nicht ganz unschuldig sind.

Wäre man hingegen bereit, faschistische Ideologien nicht nur auf ihre Inkompatibilität zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu reduzieren, sondern das von ihnen verbreitete menschenverachtende Gedankengut zu betrachten, so würde man sich immerhin den Weg zu der Frage eröffnen, ob denn die aktive Mitarbeit an der Verbreitung rassistischer und antisemitischer Inhalte eine Leistung darstellen soll, die mit einem Abschluss in Politikwissenschaft zu honorieren ist.

Ob das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das brandenburgische Hochschulgesetz Veranlassung geben würde, sich mit dieser Frage zu befassen, die Uni dies auch getan hätte und man sich dann auch noch an diverse Zuständigkeitsregeln gehalten hätte, steht in den Sternen. Aber zumindest hätte man dem VG eine Wahl gelassen.

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