Update 27.02.2018: Da dieser Artikel weiterhin recht hohe Zugriffszahlen aufweist, weise ich darauf hin, dass für ihn gilt, was selbstverständlich auch für alle anderen Artikel auf dieser Seite gilt: Sie beziehen sich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erscheinens. In diesem Falle liegt die Veröffentlichung fast zwei Jahre zurück und in der Zwischeneit ist viel passiert. Der Artikel ist daher veraltet und auf neue Fälle kaum übertragbar.
Fälle dieser Art gibt es viele, betroffen sind insbesondere Menschen aus angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“, zu denen ja mittlerweile insbesondere Albanien, Serbien, Mazedonien, Kosovo und andere (v)erklärt worden sind: Ihre Asylanträge werden „priorisiert bearbeitet“, das heißt, in Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die gründliche Prüfung des Einzelfalls bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Die Rechtsgrundlage für diese Vorgehensweise bildet § 29a AsylG i.V.m. der Anlage II zum AsylG. Aber auch die Asylanträge von Menschen aus anderen Staaten können als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, in diesen Fällen muss das Bundesamt seine Entscheidung auf einen der in § 30 AsylG enthaltenen Tatbestände stützen.
So oder so, die Ablehnung eines Asylantrags nicht nur als „unbegründet“, sondern als „offensichtlich unbegründet“, hat für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen. Eine davon ist, dass Klagen nach dem Willen des Gesetzgebers keine aufschiebende Wirkung haben. Vielmehr muss mit einem Eilantrag (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) versucht werden, das Gericht zu veranlassen, die aufschiebende Wirkung der Klage ausdrücklich anzuordnen. Dies klappt gelegentlich auch, insbesondere bei Menschen, die nicht aus angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen. Häufig ist es jedoch leider auch so, dass die Verwaltungsgerichte in äußerst knapp gefassten Beschlüssen, bei denen offenbar mehr die Verfahrensökonomie als die gründliche Auseinandersetzung mit dem Schicksal der jeweiligen Antragsteller*innen im Vordergrund steht, abgelehnt werden, häufig schon nach wenigen Tagen. Bei Menschen aus „sicheren Herkunftstaaten“ ist das mittlerweile fast schon die Regel geworden.
Wurde kein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt oder wurde der Antrag abgelehnt, ist die in dem jeweiligen Bescheid üblicherweise enthaltene Abschiebungsandrohung sofort vollziehbar. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde die Betroffenen sofort abschieben darf, und nicht auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens, mithin die Entscheidung über die eigentliche Klage, warten muss.
Oder ist das vielleicht alles doch ganz anders? Das meint man offenbar bei der 7. Kammer des VG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2015 – 7 L 3863/15.A – und der 6. Kammer des VG Münster, Beschluss vom 26.02.2016 – 6 L 142/16.A –. In diesen Fällen haben die Gerichte problematisiert, dass der Bundesgesetzgeber es bisher versäumt hat, die Verfahrensrichtlinie der EU aus dem Jahre 2013 (vollständig) umzusetzen. Da die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, können sich Schutzsuchende jetzt auch zu ihren Gunsten unmittelbar auf diese Richtlinie berufen. Die Richtlinie sieht vor, dass Schutzsuchende, deren Antrag auf internationalen Schutz, das heißt auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, nicht in Übereinstimmung mit der Richtlinie als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, ein vorläufiges Bleiberecht bis zur Entscheidung über ihre Klage gewährt werden muss. Nun sieht das deutsche Gesetz aber eben noch gar keine Grundlage für die Ablehnung eines Antrags auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet vor, mithin kann in Deutschland derzeit auch gar kein Antrag auf internationalen Schutz in Übereinstimmung mit der Neufassung des Verfahrensrichtlinie als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Das wiederum bedeutet im Ergebnis, dass Klagen gegen entsprechende Bescheide immer aufschiebende Wirkung haben, sofern der Antrag nach Ablauf der Umsetzungsfrist, das heißt nicht vor dem 20.07.2015, gestellt worden ist. Dies gilt insbesondere auch für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten.
Das sind soweit erst einmal gute Nachrichten, gleichwohl mit Vorsicht zu genießen. Denn zum einen ist das alles andere als unstrittig. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist ausdrücklich anderer Auffassung (Beschluss vom 13.01.2016, – 6 L 4047/15.A –). Bezeichnenderweise betrifft diese Entscheidung albanische Staatsangehörige. Zum anderen geht es ohnehin nur um ein vorläufiges Bleiberecht bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens vor den Verwaltungsgerichten: Sobald die Klage dort rechtskräftig abgewiesen wird, was ja meistens früher oder später passieren wird, wird auch die Abschiebungsandrohung vollziehbar. Zumindest hat man aber noch einige Wochen mehr Zeit, ärztliche Atteste oder sonstige Beweismittel zu beschaffen.
Vollständigkeitshalber sei noch angemerkt, dass auch das unsägliche „Asylpaket II“ in diesem Zusammenhang keine Klärung der Rechtslage herbeigeführt hat, weder zu Gunsten noch zu Lasten der Betroffenen. Die maßgeblichen §§ 29, 30 AsylG sind durch dieses Gesetz nicht oder zumindest nicht in relevanter Weise verändert worden. Es bleibt also spannend.